Hilferuf aus der Feste Sturmfels ins Karadon

Möge das ewige Licht des Platindrachen auf den Leser dieser Zeilen fallen.

 

Gestern, im Lichte der Abenddämmerung, strandeten zehn Koggen am Strand nahe unserer Feste Sturmfels. Allesamt waren die Schiffe gezeichnet von einer sehr langen Reise. Schon Schon seit längerem waren sie wohl nicht mehr wirklich seetauglich und jedes einzelne wies schwere Beschädigungen auf. An ihren Masten wurde eiligst die weiße Flagge gehisst, als sie sich dem Strand näherten. Deswegen erlaubten unsere Truppen ihnen, mit einem ihrer scheddrigen Ruderboote anzulanden.

 

Ein grauhaariger Ritter, Gieselmar von Tauenficht zu Mallundona in Terra Nigra, stellte sich uns vor. Er berichtete, dass er auf seinen Schiffen etwa fünfhundert hungrige und erschöpfte Flüchtlinge hätte. Aufgebrochen sind sie aus eben jenem Terra Nigra und ihr Weg war ein nicht enden wollender.

 

Ihren letzten sicheren Hafen hatten sie in Aturien angelaufen und waren dann von dort über das Meer nach Darragesch aufgebrochen. Von Darragesch wurde ihnen jedoch die Einfahrt in die Häfen verwehrt, fürchteten die Menschen wohl einen weiteren Ausbruch der Seuche in ihrem Land. Als die Flottille dann vor zwei Nächten auch noch in ein schweres Unwetter geriet, fürchteten sie schon, dass ihre erfolgreiche Flucht trotz allem vergebens gewesen war. Die Flottille verlor sich in der Dunkelheit aus den Augen und konnte auch nicht mehr den Weg anhand der Sterne finden, doch dann sahen sie alle ein strahlendes Licht durch die Finsternis brechen und die Überlebenden Schiffe setzen direkten Kurs darauf. Sie schafften es noch bis zu unserer Feste Sturmfels, bevor sie anlanden mussten. Ich denke sie sahen den Leuchtturm nahe der Stadt Rothenburg am Kap Tenaro. Der auch „Una luce nell’oscurità“ genannte Leuchtturm muss Ihnen den Weg an die Küste gewiesen haben.

 

Daraufhin ließen wir die Schiffe näher kommen und sie sind jetzt an unserem Ufer vor Anker gegangen. Aufgrund der Vielzahl der Notleidenden haben wird die komplette Feste Sturmfels in Alarm versetzt, einen Boten nach Rothburg entsandt und haben die Große Not auf unserer Feste ausgerufen.

 

Nachdem wir die Verletzten und Hungernden versorgt hatten, baten wir Herrn Gieselmar vor der gemeinsamen Morgenandacht darum, uns zu berichten, wie es dazu kam, dass so viele ihre Heimat verließen und sich auf den weiten und beschwerlichen Weg nach Trawonien gemacht haben.

 

Was wir zu hören bekamen, bestürzte uns zutiefst: der in Terra Nigra vor vielen Jahren ausgebrochene Bürgerkrieg hat vor Kurzem seinen Höhepunkt erreicht. Von jeher lebten dort wohl die Kinder des Platindrachens neben den Kindern des schwarzen Drachen Bargaahns in streng geregelter Koexistenz. Die Gesetze des Landes hatten scheinbar dafür gesorgt, dass über viele Jahrzehnte eine völlige Religionsfreiheit in Terra Nigra herrschte, die von der Obrigkeit auch gewährleistet werden konnte.

 

Doch als der letzte König ohne rechtmäßigen Erben verstarb, entzündete sich ein schon lange schwelender Konflikt zu einem lichterloh brennenden Krieg. Und an dessen Ende stand eine wochenlange Schlacht der Diener unseres Herren gegen die der Finsternis.

 

Tausende starben auf beiden Seiten und in den Wirren der nachfolgenden Tage scharte Herr Gieselmar so viele Vertriebene und Flüchtende wie möglich um sich und warf sein gesamtes Vermögen in die Waagschalen des Schicksals und schaffte es so, fünfzehn Schiffe zu organisieren. Mit ihnen machte er sich auf um über das große Meer in die Heimat seines Glaubens zu fahren. Einige der Schiffe gingen bei dem schweren Unwetter verloren, ein Anderes wurde von einem Meeresungeheuer vor der Küste Aturiens in die Tiefen gezogen.

 

Herr Gieselmar berichtete uns ferner davon, dass auch das Chaos in Terra Nigra schon immer von der nicht bahamuthgläubigen Bevölkerung angebetet wurde. Nach der großen Schlacht haben sich viele der Überlebenden dem Chaos unterworfen und haben es somit weiter gestärkt. 

 

Die Vorräte der Feste Sturmfels würden im Normalfall für ein halbes Jahr reichen, mit den zusätzlichen Mündern werden uns aber in zwei Wochen die Vorräte ausgehen. Die Besatzung der Feste ist bereits auf halbe Rationen gesetzt worden, aber die Flüchtlinge sind ausgehungert und brauchen die Verpflegung.

 

Und so rufen wir die umliegenden Dörfer, Festen und auch Herzöge an, uns in dieser Not beizustehen. Dringend benötigen wir Mehl, Getreide, Stoffe für Verbände und Kleidung. Auch haben wir nur wenige Feldscher, die Flüchtlinge brauchen weiterhin Versorgung. Bei diesen Menschenmengen fehlt es uns bald an Allem.

 

Unsere Novizen, Priester, Ritter und Soldaten werden nicht eher ruhen, bis wir diesen fast fünfhundert Menschen eine Heimstatt bieten können oder sie an einem sicheren Ort unterbringen können.

Hochachtungsvoll und in treuem Glauben an das Licht des Herrn Bahamuth,

 

Baron Jasper Morgenglanz von Sturmfels

Hochritter des Ordens des Platindrachens

Feste Sturmfels in der Grafschaft Rothenburg in Karadon